
ЖИВОТЪТ - ЕДНА ИГРА
- Създадена на Понеделник, 06 Юни 2022 11:34

Рецензия на "Дама Пика" - премиера 2022 на Държавна опера Варна с дир. Павел Балев и реж. Вера Немирова в престижното музикално списание "Das Opernglas", Германия.
DAS LEBEN - EIN SPIEL
Tschaikowskis PIQUE DAME inszeniert von Vera Nemirova und dirigiert von Pavel Baleff –das neue kreative Tandem als ständige Gäste an der Staatsoper Varna.
Die Schwarzmeer-Metropole Varna ist eine faszinierende Stadt mit einem opernbegeisterten internationalen Publikum. Die urbane Kulturszene und die Gastfreundlichkeit der maritimen Landschaft, mit viel Sonne, dem Strand und seiner langen Promenade, Parks, vielen Restaurants, Cafés und Bars ist nicht nur einladend, sondern auch bezahlbar. Viele internationale Besucher tummeln sich vor allem im Sommer hier und der internationale renommierte Ballettwettbewerb hat schon vielen Tanzbegabten zu einem Sprung in die große Karriere verholfen.
Am 6. April 1947 wurde das Opernensemble unter der künstlerischen Leitung des Sängers und Regisseurs Peter Raycheff gegründet. Es ist seitdem in dem 1912 erbauten Stadttheater beheimatet, das wie ein Schmuckstück im barocken Stil wirkt. Durch diese Institution bekam das europäische Musiktheater am Schwarzen Meer, in Bulgarien, eine neue Heimat. Das wurde damals schon euphorisch gefeiert und auch heute noch wird das Musiktheater dort liebevoll gepflegt. In den vergangenen 75 Jahren wurde das Opernhaus zu einer der führenden Kulturinstitutionen des Landes. Dort fanden über 40 Uraufführungen von Opern, Balletten und Musicals statt. Heute leitet Daniela Dimova das Haus und sie hat mit ihrem Team für das Jubiläumsjahr eine Buchsonderausgabe, Ausstellungen und viele Neuproduktionen geplant.
Am 15. und 16. April 2022 fand die Premiere von Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Oper „Pique Dame“ statt. Inszeniert wurde sie von der international bekannten bulgarisch-deutschen Regisseurin Vera Nemirova. Die musikalische Leitung übernahm Pavel Baleff, der viele Jahre als Chefdirigent der Philharmonie in Baden-Baden leitete und seit 2022 an der Oper Limoges tätig ist. Dies ist ihre erste gemeinsame Produktion. Beide haben aber bereits das Ensemble in Varna und seine Leistungsfähigkeit schätzen gelernt. Im letzten Jahr inszenierte Vera Nemirova dort bereits die Operette „Gräfin Mariza“ von Emmerich Kálmán und Pavel Baleff erarbeitete und dirigierte im Sommer 2021 „Hoffmanns Erzählungen“ von Jaques Offenbach.
In Berlin, Frankfurt am Main, Bonn, Hamburg, Freiburg, Salzburg, Wien und Luzern sorgten die Inszenierungen von Vera Nemirova für Aufsehen in der Opernwelt. Ihre Arbeiten wurden immer viel diskutiert.
In Varna gelang es ihr, das bulgarische Publikum, das eher an konventionelle Aufführungen gewöhnt ist, durch die „Pique Dame“ für das Differente und für die Wiedersprüche zu faszinieren. "Wir sind hier, um an der Idee, die Wahrnehmung des Theaters und seiner Möglichkeiten zu erweitern, zu arbeiten,", sagte Pavel Baleff. Indem Klang und Bild, Musik und Regie gleichwertig ineinandergreifen konnten, entstand eine „Pique Dame“, in der alle Leidenschaften fusionierten – Qualen aus Schmerz und Liebe, Entsetzen und Erleuchtung. Diese Wechsel zwischen düsteren Momenten und humoristischen Einfällen, die jähen Ausbrüche an Aggression und die leidenschaftliche Idylle, als Kampf zwischen Licht und Schatten werden als stimmige, zum Teil verstörende Bilder entwickelt, die sowohl die helle als auch die dunkle Seite, die des Unterbewussten der Protagonisten, betonen. So degeneriert Hermann gefesselt von der Spielsucht und verliert dabei sein Ziel, die Liebe zu Lisa. Um zu gewinnen, nimmt er alles in Kauf. Er wird zum Zerstörer seiner selbst und seiner Geliebten. Die Gräfin erscheint indessen in zwei Gestalten. Als leidenschaftliche „Venus von Moskau“ fasziniert sie Hermann und als zornige alte Hexe, treibt sie den jungen Mann in den Wahnsinn, indem sie ihn verführt.
Als Bühnen-und Kostümbildner konnte der bulgarisch-schwedische Künstler Youlian Tabakov gewonnen werden. Er schuf ein sparsames, hochgradig abstraktes Bühnenbild, dass stark symbolisch gesetzt ist. Eine extrem steile, weiße Schräge teilt das bis zur hinteren Brandmauer leere Bühnenhaus entzwei und lässt die Akteure darauf wie Grafiken in einem Passepartout erscheinen, was immer zur äußersten Genauigkeit in der Personenregie zwingt. Im Kontrast dazu gestaltete er die Kostüme äußerst detailliert und stilvoll. Insgesamt wurde alles in Weiß und Schwarz gehalten, nur das blutrote, überdimensionale Rokoko-Kleid der Gräfin sticht in der Szene in ihrem Schlafzimmer hervor, indem es hochgezogen wird und sich dabei in den Baldachin über ihrem Bett verwandelt. Im Intermezzo im Mozart-Stil, dem Schäferspiel, begleiteten Satyre und Nymphen in prächtigen Phantasiekostümen die Aufführung rund um die anmutigen Hirten Daphnis und Chloe.
Die Choreographie übernahm Anna Pampulova. Bei ihren plastischen Skizzen mit den Tänzern des Balletts der Staatsoper Varna war jede Geste und Bewegung klar und einprägsam. Zur Spannung der Szenen trug auch das elegante Lichtdesign von Daniel Yovkov bei. Die meisterhaft inszenierten Chorszenen der Oper sind gekonnt in die musikalische Konstruktion von Intrige und Handlung eingewoben. Der Chorleiter Tzvetan Krumov hat mit dem Chor ein voluminöses und homogenes Klangnstrument geschaffen.
Ivan Momirov zeichnete die Zustände psychologischer Agonie Herrmanns sowohl stimmlich als auch darstellerisch auf höchstem Niveau. Nach und nach durchläuft der mittellose, geistig verwirrte junge Mann, der durch den Grafen Tomski in die High Society von St. Petersburg eingeführt wird, die gesamte Palette menschlicher Emotionen. Von der Liebe getrieben, wird er zu einem lauernden Raubtier, gierig nach Reichtum, den ihm die drei gewinnbringenden Karten verschaffen sollen. Nachdem ihm der Geist der alten Gräfin erscheint, ergreift eine höllische Besessenheit von ihm Besitz und er verliert jede menschliche Regung. Der Impuls zur Selbstzerstörung findet seinen Höhepunkt in seiner Arie: „Was ist das Leben? Ein Spiel!”
Irina Jekova entwickelte die Rolle der Lisa gekonnt und betonte die stimmlichen Nuancen der Partie sehr genau und klangschön, mit lyrischer Plastizität und starker, dramatischer Emotion.
Majestätisch wirkte Boyka Vasileva als die Gräfin. Sie strahlte durch ihre Bewegungen einen exquisiten Chic aus und überzeugte mit den unbestrittenen Qualitäten ihrer vollen und fesselnden Stimme. Das metallische Timbre der Stimme von Silviya Angelova, die die zweite Premiere am 16. April sang, ließ die Figur aggressiver und arroganter klingen, was ebenso zur zwiespältigen Gräfin passte.
Die Rolle der Polina sangen Daniela Diakova, verführerisch und schmeichelhaft, und Michaela Berova, verspielt und anmutig. Jeletzki wurde von Ivo Yordanov, mit baritonalem Schmelz, und von Svilen Nikolov, edel und anspruchsvoll, verkörpert. Graf Tomski sangen Ventseslav Anastasov lässig, elegant und Plamen Dimitrov, als kultivierter Gentleman und zwielichtiger Freund.
Jeder der Charaktere wurde von Vera Nemirova gründlich mit den Sänger*innen erarbeitet und es wurden Gesten und Bewegungen gefunden, um bis ins kleinste Detail die stärksten Qualitäten jedes einzelnen Sängerdarstellers zu betonen.
Der Höhepunkt der Oper war das pastorale Intermezzo. Mit viel Humor und Phantesie konnte sich das schauspielerische Talent aller Teilnehmer entfalteten und das Publikum begeistern. Besondere Aufmerksamkeit wurde den Kartenspielern Tschekalinski und Surin geschenkt. Intrigante Menschen wie sie gibt es in jeder Gesellschaft. Solide und wandlungsfähig in der Darstellung waren Hristo Ganevski, Geo Chobanov und Evgeniy Stanimirov. Jana Kostova und Lilia Ilieva übernahmen die Partie der Chloë.
Tschaikowskis symphonischste Oper erlaubte es dem Dirigenten Pavel Baleff, den Orchesterpart in eine aufbrausende und sich entwickelnde Klangstruktur zu verwandeln, in der sich die Instrumentalstimmen auf elegante Weise etablieren und die Themen der einzelnen Charaktere und Emotionen hervorheben. Bemerkenswert waren die Streicher, der raffinierte Klang in den Bläsern, das präzise Lesen und die Durchdringung der Partitur, das reiche und gesättigte Klangbild und die perfekte Führung der Solisten und des Chors.
Vera Nemirova inszenierte „Pique Dame“ erstmals 2007 mit einem viel beachteten Erfolg an der Wiener Staatsoper unter Sriji Ozawa. Die Produktion wurde mehrmals wieder aufgenommen, zuletzt im Januar 2022. Pavel Baleff hat bereits viel Erfahrungen mit Tschaikowskis Meisterwerk, mit den Balletten und Sinfonien und mit der Oper Eugen Onegin. Es war jedoch seine erste Begegnung mit der Oper „Pique Dame“.
Die Produktion in Varna ist ein Erfolg des gesamten Teams und wurde vom Publikum frenetisch gefeiert! Es soll daher auch nicht bei dieser einen gemeinsamen Produktion bleiben. Im Tandem wird von Vera Nemirova und Pavel Baleff jährlich eine Neunszenierung in Varna zu erwarten sein.
Die „Pique Dame“ wird sowohl im Repertoire des regulären Opernbetriebs gespielt, als auch Open Air während des Internationalen Sommer Festivals „Varna Summer“ gezeigt werden. Das Festival findet seit 1926, also noch bevor das Opernhaus gegründet wurde, in Varna statt und stellt einen Höhepunkt im Musikleben der Stadt dar. In diesem Jahr finden die Aufführungen vom 11. Juni bis zum 25. August 2022 statt und auch die Inszenierung „Pique Dame“ von Vera Nemirova wird mit Pavel Baleff am Dirigentenpult am 26. Juli 2022 Open Air zu erleben sein.
„Wir haben uns lange gesucht,“, sagte Vera Nemirova über die Zusammenarbeit mit Pavel Baleff, „Da wir beide vorwiegend im deutschsprachigen Raum arbeiten, haben wir eine gemeinsame Tradition: wir teilen die selbe Vorstellung von Ästhetik, für ein wahrhaftiges Musiktheater.“
Das nächste gemeinsame Projekt von Vera Nemirova und Pavel Baleff wird 2023 Leoš Janáčeks “Das schlaue Füchslein”, in Co-Produktion der Staatsoper Varna mit dem Volkstheater Rostock sein.
Svetlana Dimitrova